Renate Wolf - “Farbformulierungen-Metamorphosen”
22.08.2003 - 21.09.2003
Renate Wolf studierte zunächst Bildende Kunst und Latein an der Hochschule in Mainz, anschließend war sie Meisterschülerin im Bereich Freie Malerei bei Prof. Winfried Virnich. Ihre Arbeiten bestehen vorwiegend aus Tafelbildern, daneben finden sich aber auch zahlreiche Siebdrucke und Computergrafiken. Es bleibt allerdings ihr malerisches Werk, in dem die Verbindung von alter Philologie und gegenstandsloser Malerei am deutlichsten zutage tritt. Wenn man die Bilder betrachtet, so bestechen sie zunächst durch ihre leuchtende Farbigkeit und den Rhythmus . Letzterer entsteht durch feinste Farbabstufungen, die sich als horizontale und vertikale Farbspuren äußern, oder aber lebendiger durch chiastisch angeordnete Farbspuren. Andere Bilder lassen deutlich eine Form erkennen. Wieder andere sind nahezu monochromatisch. Trotz der Vielfalt der äußeren Erscheinung lässt sich die Entstehung aller Bilder auf einen Ausgangspunkt zurückführen: Ovids „Metamorphosen“. Die darin enthaltenen Verwandlungssagen aus der Tier- und Pflanzenwelt lieferten zunächst den erzählerischen Gegenstand malerischer Auseinandersetzung. Im Prozess der Arbeit verschwand dann allerdings der Schwerpunkt der erzählerischen Darstellung und in den Mittelpunkt ihres Interesses rückte vielmehr die Beziehung zwischen Malerei und Mythos an sich, um deren Wesensähnlichkeit es ihr geht: Beim Mythos spielt bekanntlich das „Erzähltwerden“ eine wesentliche Rolle. Bei jedem neuen Erzählen der Geschichte verändert sich ein wenig ihre Form, indem etwas hinzugefügt, weggelassen oder verändert erzählt wird. Claude Lévi-Strauss wies auf diese Veränderung als wesentliches Charakteristikum des Mythos hin: „[er ist], (...), mehr als ein Text, sogar mehr als ein gesprochener Text, weil er beim Erzählen erdacht und bei der vermeintlichen Wiederholung verändert wird und daher die Umstände des Erzähltwerdens für ihn substantiell sind,...“. Einzelheiten geraten in Vergessenheit, andere Elemente tauchen wieder auf - bisweilen in veränderter Form - oder Neues kommt hinzu. Parallel zu diesem Erzähltwerden des Mythos ist für Renate Wolf das „Gemaltwerden“ grundlegend. Damit rückt der Arbeitsprozess in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sein wesentlicher Bestandteil ist das Auf- und Abtragen von Farbe. Dadurch wird in ihm die Idee der Verwandlung, das Verbergen und Verschleiern, das Vergehen und Entstehen von Form und Farbe deutlich. Aus dieser grundsätzlichen Parallelität zwischen dem Erzähltwerden des Mythos und dem Gemaltwerden der Malerei sind die hier zu sehenden Arbeiten entstanden. Jedes Bild ist Ableger dieser Idee. Ich möchte Sie nun bei der anschießenden Betrachtung der Bilder dazu auffordern, sich auf dieses Spiel einzulassen. Aber auch über ihr Spiel mit ihrer eigenen Geschichte und ihren Geschichten nachzudenken. Wann haben sie nicht auch selbst schon einmal beim Erzählen einen anderen Begriff als zuvor benutzt, weil er vielleicht drastischer klang. Oder wann haben sie nicht auch etwas hinzugedichtet oder weggelassen und dadurch den ein oder anderen persönlichen Mythos geschaffen, der einfach besser klingt als die objektive Wahrheit?! Dr. Sabine Alice Grzonka